Stellungnahme zum Entwurf für den Medienstaatsvertrag

Dieses Dokument wurde in Rahmen des Beteilignungsverfahrens zum Medienstaatsvertrag am 28.9.18 versandt:

Hans-Flesch-Gesellschaft – Forum für akustische Kunst e.V.
Stellungnahme zum Entwurf für den Medienstaatsvertrag

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Anmerkungen zu:
§ 2, (1)
„…journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote“ reicht nicht aus:
zu ergänzen ist: „künstlerische Angebote“

Die Hörspiel-Kunst ist das einzige fiktionale Element im Rundfunkprogramm: es ist DIE genuine Rundfunk-Kunst schlechthin. Sie ist eine innovative, eigenwillige Kunstform, die fragil ist, und nur gepflegt werden kann, wenn Autoren, Hörspieldramaturgen und Regisseuren die Weiterentwicklung dieser Kunstform innerhalb des Radioprogramms ermöglicht ist.
Der Entwurf der Medienkommission der Ministerpräsidenten der Länder macht den Versuch,
den seit Längerem schon schleichenden Prozess der Reduktion der Programm-Inhalte auf journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote festzuschreiben. Damit droht eine weitere Marginalisierung der Medienkunst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dem widersprechen wir mit Nachdruck. Auch in der digitalen Transformation muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk Medium und Faktor bleiben. Faktor als Kulturproduzent künstlerischer Inhalte aller Art: das heißt quotenunabhängig und qualitätsorientiert zu produzieren und das Kulturgut Medienkunst zu pflegen und zu fördern.

§ 2, (1) 3
Zu ergänzen: …..Kultur und Integration…einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden
Der Kultur-Auftrag und der immer wichtiger werdende Integrations-Auftrag sind in diesem Paragraphen völlig entfallen. Der Integrations-Auftrag ist wieder genauso wichtig wie während der Nachkriegsjahre, als es notwendig und erfolgreich war, 12 Millionen Flüchtlinge und Displaced Persons zu integrieren.

§ 2, (1) 12
Zu ergänzen: Kinder-Hörspiel, Radio-Essay, Dokumentarfilm, Essayfilm,
es geht nicht an, dass der anspruchsvolle Dokumentarfilm verdrängt wird von den gestaltlosen Dokumentationen des Duopols ARDZDF. Die sogenannte „Doku“ kann entsorgt werden in die Kanäle der kommerziellen Anbieter – sie ist zu ersetzen durch den kritischen, sorgfältig recherchierten, künstlerisch gestalteten und entsprechend finanzierten Dokumentar-Film.
Im Hörfunk ist dem Radio-Essay wieder mehr Sendeplatz einzuräumen. Im Programm aller Landesrundfunk-Anstalten; mit zeitgemäßer Budgetierung.
Das gleiche gilt für das Kinder-Hörspiel; für ein kreatives Rundfunk- und TV-Angebot für Kinder und Jugendliche On Air und Online. Audience Flow-Argumente haben im gesellschaftlich finanzierten, öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen nichts zu suchen. Wie die Einschaltquote sind sie ein Instrument des kommerziell-privaten Programm-Angebots.

Im Web fehlt außerdem noch der aufwendig produzierte, qualitativ hochstehende und adäquat kalkulierte Essay-Film. In diese Lücke sind Programm-Mittel zu investieren.

 § 2, (1) 17
Es ist zu überprüfen, wie selten es überhaupt noch Bildende Kunst, Architektur, Philosophie, Literatur und Kino im Vollprogramm gibt!

 

Allgemeine Anmerkungen:

Die EU-Kommission bestätigte im Jahr 2007, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland mit dem Einzug des Rundfunkbeitrags für alle Haushalte legitim ist. Am 26.9.2018 wurde die Rechtmäßigkeit der Erhebung des deutschen Rundfunkbeitrags nochmals von einem Gutachter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bestätigt. Allerdings ist dieses Finanzierungsmodell gebunden an die Erfüllung des Programmauftrags an ARD, ZDF und Deutschlandradio. Das heißt auch:

1.
Für die akustischen Erzähler – Hörspielautoren, Feature-Autoren, Audio-Regisseure, Komponisten, Sprecher, Tonmeister, Ton-Editoren – liegen der Hans-Flesch-Gesellschaft nackte Zahlen aus dem Deutschen Rundfunk-Archiv vor: Von 1996 bis 2o16 hat sich die Anzahl der jährlichen Hörspiel-Neuproduktionen verringert von 757 auf 477.
Wo ist das hier eingesparte Geld hingeflossen? Wir wollen es wiederhaben. Man hat uns ein Drittel unserer Erzähl-Möglichkeiten und Einnahme-Quellen geraubt. Wir wollen das eingesparte Geld wiederhaben. Um uns wenigstens ein paar Millimeter neuer Unabhängigkeit zu erkaufen.
Originalton Walter Eucken, führender Kopf der Freiburger Ordnungs-Ökonomik in einem Text aus dem Jahre 1947: „Es sind also nicht die sogenannten Missbräuche wirtschaftlicher Macht zu bekämpfen, sondern wirtschaftliche Macht selbst.“ 

2.
Die Tatort-, Mord- und Totschlag-Inflation im ARDZDF-Fernsehen ist zu bekämpfen mit
einer strikten Austeritäts-Politik. Hier muss gespart werden, hier brauchen wir eine Schwarze Null. Wir fordern eine Umverteilung der dadurch eingesparten Mittel. Mehr Geld für Filmkunst,
für Hörkunst, für gesellschaftlich relevante Erzählungen im Fernsehen, im Radio und Online.

3.
Jede Online-Stellung von Programm-Inhalten ist angemessen zu honorieren.
Honorar-Zuschläge im einstelligen Prozent-Bereich werden wir ab sofort als unsittliches Angebot zurückweisen.
Mit den Worten unserer US-amerikanischen Drehbuch-Kollegen: >Show Us Some Respect!<

4.
Die Welt der Arbeit findet im öffentlich-rechtlichen Programm thematisch kaum noch ihren Ort.
Hier fordern wir eine durchgreifende Kurs-Korrektur.

5.
Das gleiche gilt für die Welt der Wirtschaft. Seit Jahren belegt eine Studie nach der anderen,
dass weite Kreise der Gesellschaft sich mehr Bildungsangebote, mehr Programmangebote zu
Wirtschafts-Themen wünschen.
Was bieten ARDZDF und das D-Radio? 3 Gramm Plus/Minus die Woche. Oder haben wir etwas übersehen? Ganz nebenbei: Börse vor 8 empfinden wir als Dauerwerbesendung.

Berlin, 28. September 2o18                                                            Hans-Flesch-Gesellschaft